Vom Lehren und Lernen mit Computern
Train the trainer in ICT (Informations- und Kommunikationstechnologie)
Nachdem wir im Herbst des letzten Jahres mit dem betriebsbereiten Computerraum an unserer Schule zunächst eine Basis geschaffen hatten, standen die geplanten ICT-Trainings auf dem Programm. Hauptzielgruppe waren und sind die Lehrer an der Schule – Rundbrief IV als PDF.
Sie sollen verstärkt digitale Medien zur Vorbereitung ihres Unterrichts nutzen und diese Medien in ihrem Unterricht einsetzen. Letzlich sollen die Schüler profitieren, wenn digitale Medien für sie zum schulischen Alltag gehören und Ihnen eine moderne technische Infrastruktur zur Verfügung steht, um den auch in Kenia unverzichtbaren Umgang mit Computern zu erlernen.
Neben der Zusammenarbeit mit den Lehrern ergaben sich weitere Trainings im Don Bosco East Africa Headquarter. Dort ging es um Vorlagen für Präsentationen sowie um das Thema Internet und Pflege von Websites. Spannend war auch unser Pilotversuch, außer der Reihe ebenfalls mit Schülern zu arbeiten. Wir organisierten einen Programmier-Kurs für die Schüler des Technical Instituts, der berufsbildenden Schule von Don Bosco.
Über unsere Erfahrungen möchte ich in diesem Newsletter berichten. Es geht um Erfolge und auch um Herausforderungen, die uns auf unserem gemeinsamen Weg begegnet sind.
Wir haben einen Computerraum!
Die Don Bosco Technical Secondary School, in der ich arbeite, ist eine private Schule. Sie wird unter der Hand Don Bosco Boys genannt. Hier leben und lernen Jungen im Alter zwischen 13 und 20 Jahren. Sie absolvieren entweder ihren Realschulabschluss (Secondary School) oder sie machen eine Berufsausbildung (Technical Institut).
Auch die privaten Schulen in Kenia müssen sich am offiziellen, vom Bildungsministerium herausgegebenen, Stoffplan, dem Syllabus, orientieren. Darin ist für Secondary Schools über die gesamte Schulzeit Unterricht im Fach Computer Studies vorgesehen. Die Schüler lernen Grundlagen der Computertechnologie, sie lernen mit Textverarbeitungssoftware, Tabellenkalkulationen, Präsentationen und Datenbanken umzugehen. Auch Programmieren gehört zum Stoffplan.
Bei den derzeit 225 Schülern der Secondary School geht dies nur mit einem Computerraum, denn Praxis ist unverzichtbar, wenn man den Umgang mit Computern lernen will. Wir haben einen solchen Raum eingerichtet. Den Schülern stehen seit September letzten Jahres 20 Computer zur Verfügung. Betriebssystem ist Windows 10, die Rechner sind über ein LAN mit dem Lehrercomputer verbunden, der als Server fungiert. Alle Computer sind ans Internet angeschlossen. Vom Lehrercomputer aus kann der Zugang zum Internet für die Schüler wahlweise aktiviert oder deaktiviert werden.
Mit den Lehrern lernen
Mit dem eingerichteten Computerraum haben wir für die Schüler eine Basis geschaffen, erfolgreich am Kurs Computer Studies teilzunehmen. Darüber hinaus sollen auch die Lehrer ihr IT-Wissen verbessern. Als Ergänzung zur Präsenzlehre sollen sie fit werden im Umgang mit digitalen Medien. Sie sollen Software zur Organisation und Vorbereitung ihres Unterrichts nutzen und digitale Medien im Unterricht einsetzen.
Wie plant man nun entsprechende Trainings ein? Die Lehrer in beiden Schulzweigen haben einen straffen Terminplan. Wenn sie nicht gerade unterrichten, bereiten sie ihren Unterricht vor bzw. konzipieren oder korrigieren Klausuren. Es ist im laufenden Schulbetrieb nicht möglich, alle Lehrer zu einer bestimmten Zeit zu einem Training einzuladen, da die meisten von ihnen ja gerade unterrichten.
Unsere Lösung besteht aus zwei Unterrichtsformen.
- Lernen in Gruppen für Lehrer, die zu bestimmten Zeiten keinen Unterricht haben. Gleichzeitig muss der Computerraum verfügbar sein, denn nur sehr wenige Lehrer besitzen einen eigenen Rechner.
- Individuelle Trainings mit jeweils einem Lehrer oder einer Lehrerin nach eigenen Interessen. Der Computerraum kann frei sein, alternative Räume sind ansonsten vorhanden.
Ja, es geht auch um die Interessen der einzelnen Lehrer. Ich frage sie: „Was möchtest Du lernen?“ Nach meinen Erfahrungen erhöht es die Bereitschaft, gemeinsam etwas zu tun, wenn die Lehrer das Thema selbst wählen können. Man muss bedenken, dass es sich bei den IT-Trainings um ein zusätzliches Angebot handelt. Nicht alle Lehrer sind davon begeistert. Manche wollen nach getaner Arbeit möglichst schnell nach Hause. Dort wartet die Familie; vielleicht auch noch ein Stück Land. Nicht wenige Berufstätige in Kenia betreiben eine kleine private Farm, dessen Erträge dabei helfen, die Familie durchzubringen.
Didaktik des Gruppenunterrichts
Die Computerkenntnisse der Lehrer variieren sehr stark. Manche Lehrer sind bereits sehr versiert im Umgang mit Betriebssystem und Office-Anwendungen, andere dagegen hatten noch nie zuvor eine Maus in der Hand und müssen sich zunächst mit der Tatstatur „anfreunden“. Es wäre daher nicht lernförderlich, einen klassischen Frontalunterricht anzubieten, der einige Lehrer überfordern, andere hingegen langweilen würde. Daher wurde ein aufgabenorientiertes didaktisches Konzept gewählt.
Die Lehrer erhalten zum Beispiel als Aufgabe, ein bestimmte, vorgegebene Tabelle in Excel zu gestalten, siehe folgende Abbildung. Ziel ist es, sowohl das Design, als auch die Inhalte einschließlich eventuell hinterlegter Formeln exakt nachzustellen. Ihre Arbeit dokumentieren die Lehrer mit einer Textverarbeitungssoftware. Alle Lernschritte präsentieren sie schließlich mittels einer Präsentationssoftware.
Jeder Lehrer, jede Lehrerin versucht nun, die Aufgabe nach eigenem Vermögen und in eigenem Tempo zu lösen. Als Coach gehe ich durch die Reihen und schaue jeweils nach dem Fortschritt. Dabei sehe ich, wo die einzelnen Lehrer „stehen“ und kann individuell gezielt unterstützen. Zwischendurch zeige ich per Beamer wichtige Vorgehensweisen, die zur Lösung der Aufgabe führen. Lehrer, die zunächst den Umgang mit der Tastatur lernen müssen, erhalten als Aufgabe, einen Text zu schreiben.
Auf diese Weise fühlt sich niemand über- oder unterfordert. Jeweils nach dem Training frage ich die Lehrer, wie sie das Training bewerten. Es kommen durch die Bank positive Rückmeldungen, so dass wir planen, das Gruppentraining bis zum Abschluss des Projekts in dieser Form fortzuführen.
Didaktik des Individualtrainings
Individualtrainings werden eigens mit den Lehrern abgesprochen und ein- bis zweimal pro Woche für jeweils ein bis zwei Stunden durchgeführt. Jedem Lehrer steht es dabei frei, das Thema selbst zu wählen. Alternativ schlage ich ein Thema vor, was jedoch erst einmal vorgekommen ist. Die meisten Lehrer haben konkrete Vorstellungen von dem, was sie lernen möchten. Meist gibt es einen Bezug zu den Fächern, die sie unterrichten. Und genau hierin liegt auch der große Vorteil des Indiviualtrainings. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen:
Zum Beispiel Mathematik
Father Eric ist Mathematiklehrer. Er fragte mich, ob ich ihn beim Zeichnen von geometrischen Formen unter-stützen könnte, um diese dann im Unterricht und vor allem für Klausuren verwenden zu können. Wir haben daraufhin im Internet nach einer passenden Software gesucht und schließlich GeoGebra gefunden.
GeoGebra ist eine OpenSource-Software mit der sich geometrische Objekte oder Funktionsgraphen zeichnen lassen. Gezeichnet werden die Objekte nicht, wie in üblichen Zeichenprogrammen, sondern sie entstehen über die Definition von Punkten, Linien, Winkeln, Hilfsgeraden u. ä.
Zuvor hatte der Lehrer seine Zeichnungen per Hand mit Lineal und Zirkel gemacht, ausgeschnitten und in die Klausuren geklebt. Jetzt erledigt er dies mithilfe von GeoGebra. Erfreulich dabei ist, dass sich einige Schüler gefunden haben, die ihn bei den verschiedenen Zeichnungen helfen und mittlerweile erstaunliche Ergebnisse produzieren. Da müsste auch ich erst einmal schauen, wie dies zu bewerkstelligen ist. Die Kids lernen schnell!
Zum Beispiel Musik
Wilson Kadhaya, der Musiklehrer an unserer Schule, gibt nicht nur Musikunterricht. Er verwaltet auch die schuleigenen Instrumente. Ständig ist er auf der Suche nach neuen Instrumenten und unterrichtet die Schüler darin, sie zu reinigen und zu stimmen. Darüber hinaus betreut er die Schüler bei der musikalischen Vorbereitung von Events, wie unser Erntedankfest oder er übt mit ihnen für die regelmäßig stattfindenden Musikwettbewerbe, auf denen Schulorchester gegeneinander antreten.
Zu Beginn meiner Zeit sagte ich ihm einmal, dass die Schüler auf ihren Blasinstrumenten zum Teil recht schiefe Töne produzieren. Daraufhin eröffnete er mir, dass dies auch an den Instrumenten liegt. Es sind durch die Bank vom Militär, von anderen Organisationen oder privat ausgemusterte Instrumente, auf denen selbst ein Profi keine wirklich sauberen Töne mehr herausbrächte. Nun, andere Schulen hier in Kenia sind in ähnlicher Situation, so dass die Schulwettbewerbe unter weitgehend gleichen Bedingungen stattfinden.
Zu unserer Zusammenarbeit: Sie ist phantastisch! Wir treffen uns zweimal die Woche für bis zu zwei Stunden und auch immer wieder zwischendurch, um Noten zu schreiben. Wir lernen beide. Wilsons zuvor benutzte Software zum Schreiben von Noten war die freie Version einer kommerziellen Software, reduziert auf ein einzelnes Instrument. Nach kurzer Recherche haben wir die quelloffene Software MuseScore gefunden. Kaum eine Software hat mich so begeistert, wie diese. In mittlerweile 48 Sprachen übersetzt, lassen sich mit ihr beliebig viele Instrumente editieren (es gibt eine Vorlage für ein ganzes Orchester), mehrere Stimmen sind editierbar, und die Software spielt die geschriebenen Noten mit dem Sound der jeweiligen Instrumente. Stücke oder Passagen lassen sich per Knopfdruck transponieren – oder per Tastatur, wie auch alle anderen Bedienfunktionen per Tastaturkürzel erreichbar sind.
Natürlich gibt es, wie bei jeder Software, eine Lernkurve. Wir machen gemeinsam gute Fortschritte, denn MuseScore hält sich an gängige Bedienstandards und ist außerdem sehr gut dokumentiert. Zahlreiche Beispiele und Support liefert auch die weltweit organisierte Community.
Neben dem Notenschreiben unterstütze ich Wilson auch darin, die vorhandenen Instrumente per Software zu verwalten sowie Auszüge aus MuseScore in einer Textverarbeitung weiterzuverarbeiten, etwa um eine Klausur vorzubereiten.
Fazit
Insgesamt macht das Arbeiten und Lernen mit den Lehrern unglaubliche Freude. Ich lerne selbst viel dazu. Einziger Wehrmutstropfen bleibt, dass ich nicht alle Lehrer davon überzeugen kann, mit mir zu arbeiten. Einige betonen immer wieder, wie viel sie zu tun haben, siehe oben. Nun, sie sind erwachsen und man kann niemanden zum Lernen zwingen. Ich lasse sie, nach Abprache mit dem Direktor, ihre Arbeit machen, nach Hause gehen und verbringe mehr Zeit mit den Lehrern, die engagiert sind und lernen wollen.
Mit den Schülern lernen
Es gehört nicht zu den Zielen, auf die wir uns gemeinsam im Projekt verständigt hatten; dennoch war da Anfang dieses Jahres die Idee, Schüler im Programmieren zu unterrichten. Wir wollten einmal schauen, wie die Schüler ein solches Angebot annehmen und wie erfolgreich sie sind, wenn es um Softwareentwicklung geht.
Wir starteten eine Unterrichtsreihe für die Technical Students im Mai diesen Jahres. Die Schüler wurden in sechs Gruppen zu etwa 10 Schülern aufgeteilt, um jeweils eine Stunde pro Woche die Programmiersprache Python zu lernen.
Für die Programmiersprache Python sprach, dass sie relativ leicht zu erlernen, sehr gut dokumentiert ist und ihr, neben Java, eine großartige Zukunft vorausgesagt wird. Was nicht für Python sprach, war die Tatsache, dass ich bis dato noch keine einzige Zeile in Python programmiert hatte. Nun ja, das war die Herausforderung. Ich habe kurzerhand beschlossen, abends ein privat existierendes Projekt in Python neu zu programmieren. Dadurch war ich motiviert genug, die Grundlagen und etwas darüber hinaus, zu lernen.
Wie hat sich das Training entwickelt? Es war einerseits interessant und lehrreich für mich. Andererseits auch frustrierend. Dass nicht jeder mitkommt, war zu erwarten. Dass aber das Training für die meisten nur als willkommene Auszeit vom „Job“ angesehen wurde, musste ich erst begreifen. Einige Schüler versuchten unentwegt, das Internet zu nutzen, obwohl es die meiste Zeit abgeschaltet war, was ich auch klar kommuniziert hatte. Dennoch wurden Netzkabel gewaltsam herausgerissen, durch andere ersetzt, Viren über USB-Sticks eingeschleust und Speicherkarten gestohlen.
Die zwei Klausuren, die ich angeboten habe, fielen entsprechend schlecht aus. Weniger als zehn Prozent der Schüler bestanden die erste Klausur. Die zweite Klausur fiel geringfügig besser aus. Man muss jedoch fairerweise hinzufügen, dass besonders das Lernen einer Programmiersprache talentabhängig ist. Wer keinen Zugang zum „Coden“ findet, tut sich im Allgemeinen schwer. Insofern haben wir Mitte Oktober beschlossen, den Kurs nur noch mit den Besten der Schüler fortzuführen. In der Tat kristallisierten sich zwei Schüler heraus, die bereits recht früh dadurch auffielen, dass sie die Übungen lange vor allen anderen abgeschlossen hatten und auf weitere Aufgaben warteten. Sie hatten verstanden. Und das ist die gute Nachricht. Mit ihnen und weiteren zehn Schülern, die gute Klausuren geschrieben haben, geht es nun weiter.
Mit den Angestellten lernen
Im Headquarter Don Bosco East Africa leben und arbeiten Salesianer, wie sich die Angehörigen des katholischen Don Bosco Ordens nennen. Darüber hinaus sind hier auch Angestellte tätig. Zweimal wurde ich im vergangenen Jahr ins Hauptquartier nach Nairobi eingeladen. Einmal ging es um Präsentationen, das andere Mal um eine Website.
Präsentationen gestalten
Die Verantwortlichen Salesianer im Don Bosco Headquarter sind oft als Botschafter unterwegs. Und sie kommen mit Präsentationen. Im letzten Jahr sprach ich mit Father Melky, einem, dieser Botschafter. Seine Aufgabe ist, die für Don Bosco tätigen Fachkräfte aus aller Welt den, wie er es nennt, Spirit of Don Bosco zu vermitteln. Auch er nutzt hierfür Präsentationen. Im Laufe unseres Gespräches verabredeten wir, dass ich einmal ins Hauptquartier komme und wir daran arbeiten, die bestehenden Präsentationen technisch zu optimieren. Nicht um Inhalte ging es also.
Wir trafen uns, zusammen mit einem weiteren Mitarbeiter und entwickelten, auf der Basis der bestehenden Präsentationen, mit PowerPoint zwei Vorlagen, die für zukünftige Präsentationen genutzt werden sollten. Die neuen Vorlagen nutzen nun Master-Slides, Kapitelankündigungen mit vollflächigen Bildern, vereinheitlichte Schriften sowie einen „echten“ PowerPoint-Footer. Ich musste mich damit selbst zunächst etwas beschäftigen, um zu verstehen, wie man diesen einsetzt – also auch wieder etwas gelernt.
Don Bosco nutzt nun für alle zukünftigen Präsentationen diese Vorlagen, wie mir Father Melky versichert hat. Insofern kann dieses Training als Erfolg gewertet werden. Nun ist es so, dass man wissen muss, was Master-Slides sind und wie man diese benutzt, um die Vorteile der neuen Vorlagen tatsächlich nutzen zu können.
Mit Blick auf die Nachhaltigkeit unseres Trainings war mir daher wichtig, Don Bosco ein Handbuch zur Nutzung der Vorlagen an die Hand zu geben. Es war mir einen ganzen Tag wert, dieses Handbuch zu schreiben. Ein Tag, der sich meines Erachtens nach gelohnt hat. Im Hauptquartier ist man nun im Besitz einer detaillierten Beschreibung zur Nutzung der Vorlagen, so dass auch nachfolgende Salesianer und Mitarbeiter verstehen können, wie sie mit den Vorlagen neue Präsentationen erstellen – sofern sie das Handbuch denn lesen.
Eine Website erstellen
„Hilfe, unsere Website ist nicht mehr erreichbar!“ tönte es eines Tages aus dem Don Bosco Headquarter. Die Website einer ganzen Abteilung wurde aufgrund eines Datenbankfehlers tatsächlich nicht mehr ausgeliefert. „Wer hat die Website denn gemacht?“, fragte ich. Antwort: „Der Mitarbeiter ist leider nicht mehr bei uns und hat keine Zeit, sich darum zu kümmern. Er hat auch alle Zugangsdaten.“ Eine solche Antwort höre ich nicht zum ersten Mal. Sie zeigt eine typische Situation.
Ich kam ein weiteres Mal ins Don Bosco Hauptquartier. Inzwischen lagen glücklicherweise immerhin die Zugangsdaten zum Provider vor. Wir hätten uns nun um den Datenbankfehler kümmern können (der Provider unter-stützte die von der Website genutzte Datenbankversion nicht mehr), es stand aber seitens der Abteilung schon länger die Überlegung im Raum, eine neue Website aufzusetzen, und dies war nun der passende Augenblick.
Gut, dass es eine Way-Back-Machine gibt. Mit ihrer Hilfe konnten wir uns anschauen, wie die Site vor einem halben Jahr ausgesehen hatte, als sie noch lief und dort alle Inhalte herauskopieren. Anschließend setzte ich mich mit Tobias, dem IT-Verantwortlichen zusammen, um eine neue Website auf der Basis von WordPress, einem sog. Content-Management-System (CMS), zu erstellen. Für Tobias war dies das erste Mal, und dennoch ist er alle erforderlichen Schritte selbst gegangen. Ich saß im Grunde nur neben ihm, erklärte, was zu tun ist, und er machte. Einmal gehört, sofort verstanden und umgesetzt. Ich staunte die ganze Zeit über. Nun gut, er ist IT-ler, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass er das Einrichten einer Subdomain, einer Datenbank sowie das Hochladen und Konfigurieren des CMS so schnell umsetzt. So macht Training jedenfalls Spaß! Pünktlich zum Mittagessen um 13:00 Uhr lief die neue Website mit Kopf- und Fußbereich, mit ersten Inhalten, einem etwas frischeren Design und vor allem zeitgemäßer Technik.
Zeit für ein Training nach dem Mittagessen zum Thema „Pflege der Website“. Hierzu luden wir alle Mitarbeiter ein, die zukünftig Inhalte beisteuern sollten. Der Vorteil eines CMS ist, dass zur inhaltlichen Pflege keine Programmierkenntnisse erforderlich sind. Es gelingt auch computertechnisch weniger versierten Anwendern, die erforderlichen Schritte relativ leicht zu erlernen.
Die Website der Abteilung läuft nun wieder. Alle nötigen Zugangsdaten sind für die Nachwelt dokumentiert, inkl. der erforderlichen Schritte zur Pflege der Inhalte.
Projektbesuche
Wir Comundo-Fachkräfte in Kenia treffen uns zweimal im Jahr auf unseren Country-Meetings zum gemeinsamen Austausch. Es ist gut, immer wieder einmal über den Tellerrand des eigenen Projekts zu schauen und zu erfahren, wie die Kollegen mit den Herausforderungen umgehen, die ihnen im Job und auf privater Ebene in diesem Land begegnen.
Eine weitere Möglichkeit des Austauschs besteht darin, andere Projekte zu besuchen. So lassen sich Potenziale für mögliche Synergien erkennen. Comundo bietet innerhalb der eigenen Projekte mit Borrow a Co-Worker ein Konzept an, das es erlaubt, bei Bedarf für eine bestimmte Zeit das Know-how von Fachkräften aus anderen Projekten zu nutzen. Im September diesen Jahres habe ich in diesem Sinne drei Projekte entlang der Küste besucht.
Kwetu
Kwetu ist ein Schulungszentrum. Der Name Kwetu ist Kiswahili und bedeutet soviel wie „Bei uns zuhause“. Das Projekt ist in der Nähe von Mtwapa an einer Magrovenbucht gelegen. Ziel ist es, den hier lebenden Menschen Fähigkeiten zu vermitteln, die ihnen ein selbstständiges Leben ermöglichen. Kwetu bietet Kurse zu den Themen Bienenzucht, Fischzucht und nachhaltige Landwirtschaft an. Auch HIV-Prävention wird als Kursthema angeboten. Neben Spenden finanziert sich das Projekt über den Verkauf von Produkten, die im Rahmen der Kurse entstehen – etwa Cremes oder Magroven-Honig. Den Honig habe ich probiert. Er schmeckt vorzüglich!
Gegründet wurde das Zentrum im Jahr 1990 von der Deutschen Ulrike Neubert, um der hohen Arbeitslosenquote der entlang der Küste wohnenden Menschen zu begegnen. Farah, der für IT zuständige Mitarbeiter von Kwetu führte mich durch das Gelände. Zunächst zu den zwei Unterrichtsräumen. Einer der Räume ist als Computerraum ausgestattet, der andere als Schulungsraum ohne Computer. Anschließend sind wir durch die Mangroven gegangen, vorbei an der Fischzucht und den Bienenstöcken. Das Gelände ist recht weiträumig.
Nachittags trafen wir uns mit der Gründerin Ulrike Neubert und einem weiteren Mitarbeiter Brendan zu einem Strategiegespräch. Wir sprachen sehr zielführend über Möglichkeiten, die Website, das Marketing sowie die Schulungsangebote zu optimieren bzw. zu erweitern. Leider musste ich noch am gleichen zum nächsten Projekt weiterreisen.
North Coast Medical Training College
Das North Coast Medical Training College mit Sitz in Kilifi, begann 2012 mit der Ausbildung von Gesundheitspersonal. Studenten und Mitarbeiter des College arbeiten mit medizinischen Fachkräften im klinischen Bereich und in der Gemeinde zusammen, um die Gesundheit der Kenianer zu verbessern. Das College bietet kompetenzbasierte und lernerzentrierte Gesundheitstrainings an. Zielgruppe sind Abiturienten sowie Menschen, die bereits im Gesundheitswesen arbeiten. Das College wird inzwischen als Kompetenzzentrum für seine qualitativ hochwertige Ausbildung und sein Management im Gesundheitswesen in ganz Kenia geschätzt. Mein Freund und Kollege Roland Stieger arbeitet im College als Arzt im Bereich Ultraschall-Training.
Architektonisch wirkt das Gelände wie eine Mischung aus einem afrikanischen und einem europäischen Campus. Zwischen den verschiedenen Gebäuden ist reichlich Platz mit vielen Sitzgelegenheiten für die 500 Studierenden. Pavillons für Gruppen bis zu zehn Personen wurden errichtet, in denen die Lernenden sich in Gruppen aus-tauschen. Weitere Pavillons befinden sich in Bau.
Ich traf Bernard, den IT-Verantwortlichen. Er zeigte mir das Computer-Lab und die computertechnische Schaltzentrale, über die sämtliche Rechner auf dem Campus verbunden sind. Das College verfügt über einen Internetanschluss mit 40 MBit/s. Ein Ausbau ist geplant.
Mediendidaktisch setzt man auf ein Learning-Management-System (LMS). Ich erfuhr von Bernard, dass man im College einen lernerzentrierten Ansatz pflegt. Die Lehrenden verstehen sich als „Unterstützer im Lernprozess“. Die Lernenden werden zum selbstverantwortlichen Lernen angeregt. Das LMS befindet sich im Aufbau. Titus, ein IT-Angestellter zeigte mir den derzeitigen Stand. In einem anschließenden Gespräch zwischen Bernard, Roland und mir sprachen wir über die Pläne des College, die IT und das LMS weiter auszubauen. Wir waren uns einig, dass die Unterstützung eines Medienpädagogen zur Erreichung der angestrebten Ziele ausgesprochen hilfreich wäre.
Roland und ich trafen anschließend Sudi, den Principle des Colleges in seinem Büro, zu einem abschließenden Gespräch. Wir bedankten uns für die spontane Bereitschaft, uns einen Einblick in das College zu gewähren, für die Zeit, die sich die Verantwortlichen genommen hatten und beschlossen, in Kontakt zu bleiben.
Pope-Francis-Home
Im Kinderhaus des Pope-Francis-Home-Projekts finden sexuell, psychisch oder physisch missbrauchte Kinder Aufnahme und Begleitung. Darüber hinaus verfolgt das Projekt den Zweck, die Menschen durch gezielte Information für das Thema Kindsmissbrauch zu sensibilisieren und diesem so entgegenzuwirken. Meine Kollegin Barbara Leimeroth-Trummer unterstützt, begleitet und berät die Mitarbeitenden in Fragen rund um psycho-soziale Unterstützung und Gesundheit.
Nach meiner Ankunft erfuhr ich zunächst, dass es nicht gestattet ist, innerhalb des Compounds zu fotografieren. Ein Wunsch, den ich selbstverständlich respektiert habe.
Barbara führte mich durch die verschiedenen Räumlichkeiten. Neben Büros und Unterkünften für die Kinder und Lehrenden, verfügt das Projekt über Lernpavillons und Werkstätten, in denen die Kinder zum Beispiel Nähen lernen. Zum Compound gehört ebenfalls ein Garten, dessen Erträge für den Eigenbedarf genutzt werden. Eine kleine Anlage erlaubt es, aus Papierabfällen eine Art Brikett zu pressen. Damit kann man kochen. Im Compound ist es überall auffällig sauber und ruhig. Im Nähstudio nähten einige Mädchen unter Anleitung. An einer Stelle neben den Lernpavillons wurde Rasen gepflanzt.
Mein persönliches Fazit: Einrichtungen, wie das Pope-Francis-Home, sind für traumatisierte Kinder oftmals die einzige Chance, zu einem erfüllten und glücklichen Leben zurückzufinden oder überhaupt zu finden. Die Arbeit der Menschen, die derartige Einrichtungen aufbauen und betreiben, kann man daher nicht hoch genug einschätzen.
Besonders beeindruckt hat mich, dass die Kinder, die ich dort sah, auf mich einen interessierten und glücklichen Eindruck machten. Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, dass jedes dieser Kinder eine persönliche Geschichte des Missbrauchs zu bewältigen hat.
Und sonst?
Es geht mir privat gut. Ich bin gesund. Seit einiger Zeit lebe ich nicht mehr auf dem Schulgelände. Ich habe eine Wohung in Embu bezogen. Noch immer lerne ich die Eigenheiten der kenianischen Kultur kennen, verstehe sie jedoch schon etwas besser, als zu Beginn meiner Zeit. Es ist für einen Weißen normal, nahezu täglich um Geld, Nahrung oder Gegenstände gebeten zu werden. „Buy me food!“, heißt es. Viele Kenianer leben unterhalb der Armutsgrenze. Sie harren abends teilweise im Dunkeln aus, weil sie kein Geld für Strom haben und gehen mitunter hungrig schlafen.
Von uns Weißen wird erwartet, dass wir geben. Am besten Geld! Schließlich ist man reich. Und man war Kolonialmacht. „Ihr habt etwas gutzumachen!“, wurde mir schon gesagt. Die Einstellung der Menschen, die mir begegnen, ist teilweise ausgesprochen fordernd.
Ich möchte an dieser Stelle kein neues Fass aufmachen. Wie es zu einer solchen Einstellung kommt, werde ich in meinem nächsten Rundbrief untersuchen. Man muss es den Menschen in Kenia jedenfalls nachsehen. Sie sind nicht verantwortlich für die Geschichte und die bisherige Politik des Landes. Wir als Comundo-Fachkräfte sind ja hier, um einen Beitrag dafür zu leisten, dass es den Menschen mittel- bis langfristig besser geht.
Hallo Harry;
Von deinen Tätigkeiten versteh ich nix; dafür haben wir bei uns einen Angestellten. Aber nach wie vor bewundere ich deinen Mut und dein Engagement!
Allsonntäglich denken wir bei kritischen Badminton- Entscheidungen an dich (” ein echter Harry”), wenn mal ein Ball knapp im Aus oder auch drin war.
Unsere gesundheitliche Ausfälle häufen sich, wir haben manchmal sogar Mühe, einen Platz zu füllen, sodaß wir dem Ende deines Projektes nicht ganz uneigennützig entgegensehen.
Nächsten Sonntag gehen wir was Essen und werden auf dich anstoßen!
LG Paul
Hallo lieber Paul,
schön, von Dir zu hören und zu erfahren, dass ich noch nicht ganz raus aus den Köpfen meiner Badminton-Truppe bin. Ich vermisse unsere sonntäglichen Spiele! Es gibt hier leider niemanden, dem ich vermitteln könnte, wann ein Ball nun im Aus ist und wann nicht. Das ist das Traurige an der Sache. Dafür werde ich aber auf anderer Ebene entschädigt, muss ich sagen. Ich stoße nächsten Sonntag auch auf Euch an. Mit Apfelsaft. Das vermeidet gesundheitliche Ausfälle. Liebe Grüße, Harry
Hallo Harry!
Schön durch Deine Rundbriefe von Dir und Deiner Arbeit in Kenia Interessantes zu erfahren. Dass es dir auch gesundheitlich gut geht, bezieht sich hoffentlich auch auf Deine Schulter! Weiterhin viel Erfolg bei Deiner Arbeit!
Gruß aus Oche! Heinrich
Lieber Heinrich,
freut mich, dass Du meinen Rundbrief mit Interesse gelesen hast. Ja, mit meiner Schulter habe ich eine Art Freundschaft geschlossen. Sie wird immer etwas später wach, als ich selbst und zieht sich dafür abends schon mal etwas früher zurück. Damit kann ich leben. Danke für Deine Wünsche! Liebe Grüße zurück aus Embu, Harry
Lieber Harry,
schön zu lesen das es dir gut geht und du gesund bist.
Den Rest habe ich natürlich auch mit Spannung gelesen…😃
Ich freue mich wenn wir uns wieder sehen.
Liebe Grüße
Jo
Hey Jo, freut mich sehr, von Dir zu lesen und dass Du meine Rundbriefe weiter verfolgst. Ja, über ein gemeinsames Eifler Landbier in der Bahnhofvision würde ich mich sehr freuen. Ende März, Anfang April bin ich voraussichtlich wieder in der Heimat. Liebe Grüße, Harry
Hallo lieber Harry,
auch ich habe mich wieder gefreut, von Dir zu lesen! Wie lange geht Dein Engagement in Kenia denn noch? Ich habe Frühjahr 2020 im Kopf – ist das richtig?
Liebe Grüße – gerade aus Hamburg 🙂
Martin
Hey Martin, schön, von Dir zu hören. Du hast das richtig im Kopf. Mein Projekt endet im März 2020. Gruß zurück nach Hamburg. Und grüß’ Deine Martin!
Lieber Harry,
vielen Dank dafür, dass Du Deine Erlebnisse mit uns teilst. Ich denke immer wieder an Dich, besonders gerne an gemeinsame kurzweilige Abende am Rechner. Bis heute profitiere ich von Einsichten, die Du mir damals ermöglicht hast. Die Schüler, bei welchen der Funke überspringt, sind alle Mühe wert! Du gibst ihnen etwas für ihr ganzes Leben mit. Weiterhin alles Gute und herzliche Grüße nach Kenia, Jan-Hinrich
Danke für Deine lieben Wünsche, Jan! Ja, ich erinnere mich sehr gut an die Tage und Abende in der Altdorfstraße (oder in der Eynattener). Habe auch viel von Deinen Anregungen mitgenommen aus dieser Zeit. Dir auch weiterhin alles Gute in Germany.
Lieber Bruder Harry,
solltest du ein weiteres Projekt in Kenia annehmen, werde ich dich wieder besuchen, keine Frage.
Liebe Grüße Robert
Danke Robert, ich rechne in dem Fall auch fest damit!
Immer wieder eine Freude von Dir zu lesen. Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude und Erfolg bei Deinen Projekten und auch privat alles erdenklich Gute. Vielleicht klappt es ja noch einmal, das wir bei einem Glas Wein wieder über das Leben philosophieren können. Viele Grüße nach Kenia. Stefan
Lieben Dank für Deine Wünsche, Stefan. Dir auch alles Gute. Ja, wir haben uns immer so angenehm ausgetauscht. Das fehlt mir auch manchmal hier. Wäre ja schön, wenn es nochmal klappt. Gruß zurück an die Waterkant. Harry