Rundbrief I (Juni 2017)

Wie bin ich angekommen in Embu und wie wurde ich empfangen? Was wird meine Rolle, werden meine Aufgaben sein? Antworten auf diese und andere Fragen findest Du in meinem Rundbrief 1.

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Einsteigen bitte!

Was nimmt man mit auf einen dreijährigen Einsatz, bei maximal erlaubten 46 kg? Glücklicherweise erhielten wir angehenden Fachkräfte im Rahmen unserer Vorbereitung eine Reihe nützlicher Hinweise zum Thema: „Was brauchst Du in Kenia?” Einer der Tipps sollte sich gleich am Flughafen Nairobi bewahrheiten: Geduld. Anderthalb Stunden den Visum-Schalter greifend nah vor Augen, wird dem Neuankömmling, der die kenianische Seelenruhe nur aus theoretischem Unterricht kennt, unmissverständlich klar gemacht: „Du bist dran, wenn Du dran bist.” Na bitte. Ein perfekter Einstieg.

Mit dem ging es auch gleich weiter, denn ich hatte das Glück, vor meinem eigentlichen Einsatz in Embu das Jahrestreffen der Comundo Fachkräfte an Kenias Küste in Malindi mitzuerleben, so dass ich gleich zu Beginn Gelegenheit hatte, meine ebenfalls in Kenia stationierten Comundo-Kollegen kennenzulernen. „Begegnungen” standen in diesen Tagen im Vordergrund. Begegnungen mit Menschen weißer und schwarzer Hautfarbe, mit Baobabs, mit Hitze, dem Geruch von Erde und brennendem Müll, mit Armut. Alltag für die hier lebenden Menschen. Für mich in der Form neu. So neu, dass es nicht gleich einsortierbar ist. Man lässt die Eindrücke stehen und wirken, kommt nicht dazu, sie direkt zu verarbeiten, weil einem gerade vier Menschen auf einem Moped entgegenkommen – gefährlich nah. Gehwege? Noch keine. Allenfalls die Straßen sind geteert. Man weicht aus, indem man über einen Findling hüpft oder sich einfach in die Menschenmenge drückt. Irgendwie klappt das immer, oder fast immer, und alle wissen das.

Kurz gesagt, einen eindrucksvolleren Einstieg in meine neue Aufgabe hätte ich mir gar nicht wünschen können, zudem Eveline und ich als die „Neuen” sehr herzlich und ganz selbstverständlich vom Comundo-Team aufgenommen wurden.

Es geht nach Embu

So schön es ist, sich mit netten Kollegen in traumhaftem Ambiente auszutauschen, irgendwann beginnt das Kribbeln. Da gibt es eine Flugstunde entfernt einen Ort, der für drei Jahre das neue Zuhause sein wird. Wie wird das Leben dort? Wie sind die Menschen grundsätzlich und speziell mir gegenüber eingestellt? Werden wir uns menschlich und fachlich gut verstehen? Wie sind die Lebensbedingungen dort? Erwartet man mich, oder wird man völlig erstaunt sein, mich zu sehen? Tatsächlich haben wir das in der Vorbereitung genau so aus erster Hand erfahren – von einer, die freudig auszog und verblüfften Gesichtern begegnete. Diese und andere Fragen kommen schleichend, werden lauter und wollen beantwortet werden. Schließlich fährt man nicht mal eben für ein paar Tage zu Besuch.

Nun, jeder Tag kommt. So auch der, an dem Jutta Wermelt, unsere Länderkoordinatorin, mich freundlicherweise von Nairobi bis zur Don Bosco Schule nach Embu fuhr. Der Weg führte kurz zuvor bereits mitten durch Embu, so dass ich einen ersten Eindruck von meiner neuen Heimatstadt erhaschen konnte. Abenteuerlich beladende Fußgänger, ebenso beladene Fahrräder, ein Motorrad transportiert ein Sofa – quer auf den Gepäckträger gebunden, Autos, Kleinbusse, LKW bahnen sich ihren Weg durch ein Dickicht an Menschen und Verkaufsständen direkt an der Straße. Dahinter Supermärkte, kleinere Shops und Bars. Die Werkstätten der Handwerker befinden sich vor der Haustür. Einer schweißt gerade, schaut dabei geradewegs in die Flamme – vielleicht hat er eine Schutzbrille benutzt. Ich konnte das nicht erkennen. All dies nehme ich im Vorbeifahren wahr, weiß, dass ich wiederkommen werde und spreche mit Jutta über Ananas, Reis und Khat, dem Zeug mit der berauschenden Wirkung, das man wie Kautabak kaut und das hier in der Gegend angebaut wird. Man muss auf der Straße aufpassen, erfahre ich. Die Fahrer, die das Khat nach Nairobi und Mombasa bringen, sieht man unentwegt kauen. So sind die Strecken „leichter” zu bewältigen und man bleibt wach.

Don Bosco Technical Secondary School

Die Facebook-Seite von Don Bosco, Embu zeigt ein Hinweisschild. Ich erkannte es sofort. Da waren wir also.

Ich wurde erwartet. Fr. Maina und Fr. Eric, die beiden Hauptverantwortlichen hier in der Schule begrüßten mich sehr herzlich und zeigten mir das rund um die Uhr bewachte Compound, in dem derzeit 352 Schüler entweder eine technische Berufsausbildung (Technical School) oder einen weiterführenden Schulabschluss (Secondary School) absolvieren. Zum Compound gehören unter anderem eine Farm, eine Kirche, eine Aula, Büros für die Angestellten, Unterrichtsräume, Unterkünfte, Bibliothek, Dining Hall, Sport- und Werkstätten für die Schüler, Produktionswerkstätten und nicht zuletzt das Institute of Computer Studies, auf das ich noch eingehen werde. Die Anlage ist auffällig sauber. Pflanzen, Wege, Gebäude sind top gepflegt. Ich erfahre, dass Ordnung und Sauberkeit mit zur Ausbildung gehören. Die Schüler selbst halten die Anlage in Schuss. Sie sind zur Zeit meiner Ankunft bei ihren Familien, denn es sind Ferien. Ansonsten leben sie hier in der Schule.

Kennenlernen, ankommen

Fr. Eric fährt mich mit meinem Gepäck zu einem von 17 Häusern, die am Rande des Compounds, umgeben von halbhohen, blühenden Hecken und Büschen, gelegen sind. In den Häusern wohnen einige der Lehrer sowie Angestellte. Haus 4 wird für die ersten Monate mein Zuhause sein. Es wurde für mich frisch renoviert, hat Warmwasser- und Internetanschluss und ist komplett möbliert. Es ist perfekt.
Ich richte mich ein und lerne in den kommenden Tagen Menschen kennen, mit denen ich vornehmlich zu tun haben werde. Ausnahmslos alle sind überaus freundlich mir gegenüber. Fr. Eric begleitet mich nach Embu, zeigt mir die wichtigsten Geschäfte, die Post, den Markt. Ich kaufe Lebensmittel.

Zurückgekehrt und mit Kamera ausgestattet, mache ich einen Rundgang um das Compound, vorbei an den Werkstätten, den Sportanlagen durch einen kleinen Wald über die angeschlossenen Felder zur Farm und bemerke, wie groß die gesamte Anlage ist. Und wie wunderschön, siehe http://habari.harry-boldt.de/2017/04/30/karibu-embu/

Was ist das Ziel meines Einsatzes?

Ziel des auf drei Jahre angelegten Projekts ist es, dass die Schüler der Don Bosco Schule, Embu am Ende ihrer Ausbildung über ein höheres Maß an Medienkompetenz verfügen, als dies bisher der Fall ist. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen gemeinsam mit den Lehrern verbesserte Unterrichtskonzepte im Fach Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) entwickelt, eingesetzt und evaluiert werden.

Die Schulabgänger benötigen dieses vertiefte Know-how, um in Kenia ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, denn Kenia schläft nicht in Sachen Computertechnologie. Einige Experten bezeichnen Kenia gar als das afrikanische Epizentrum für Innovationen und einzigartige mobile Lösungen, wie dem Bezahlsystem M-Pesa. Seit 2009 ein Glasfaserkabel das Land erreichte und 2010 eBay-Gründer Pierre Omidyar das iHub in Nairobi ins Leben rief, boomt die IT-Szene in Kenia, auch und vor allem durch kleinere Startups. Man spricht in Anlehnung an das kalifornische Silicon Valley bereits vom Silicon Savannah. Die kenianische Regierung setzt ebenfalls auf Fortschritt durch Digitalisierung und hat sich für den Zeitraum bis 2030 große Ziele gesetzt. Im Bereich Bildung wurde das Establishment of a Computer Supply Programme ausgerufen. Hier heißt es (siehe vision2030.go.ke):

The Ministry‘s ICT initiatives targets mainstreaming of information technology in 20,000 public primary schools, 6,000 public secondary schools, 22 PTTCs, 2 diploma colleges and 10 model e-learning centres for Adult and Continuing Education.

Im August 2017 stehen in Kenia Präsidentschaftswahlen an. Niemand kann sagen, wie die zukünftige Regierung aussehen wird, geschweige denn, mit welcher Konsequenz die in der Vision 2030 postulierten Ziele tatsächlich verfolgt werden.

Die Don Bosco Technical Secondary School, Embu hat für sich die Konsequenzen gezogen und agiert nun. Im Institute of Computer Studies, dessen Kernstück ein Computer Lab bildet, soll ein neuer, frischer Wind wehen. Die bestehenden IT-Kurse sollen didaktisch aufgewertet und an die derzeitigen und zukünftigen Anforderungen angepasst werden. Auch in den übrigen Fächern sollen zusätzliche mediale Angebote die Lehre unterstützen, die Lehrenden entsprechend angeleitet und motiviert werden, ihre Unterrichtsmaterialien und -verfahren anzupassen.

Was werden meine Aufgaben sein?

Um eine erste Grundlage für die gesteckten Ziele zu schaffen, einigten wir uns darauf, den Computerraum auf Vordermann zu bringen. Zahlreiche „Computer”, Monitore und verschiedene Peripheriegeräte standen hier auf Tischen, stapelten sich in den Ecken. Niemand hatte so recht einen Überblick, was davon funktionierte und was nicht. Daher war zunächst eine Bestandsaufnahme vonnöten. Computer, Monitore, Tastaturen, Mäuse und sonstige Geräte wurden geprüft, funktionierende Geräte mit den wichtigsten Kenndaten gelistet, nicht funktionierende Geräte aussortiert und entsorgt. Nachdem der Raum frisch gestrichen, Tische und deren Anordnung angepasst, einige Computer, zahlreiche Stühle repariert und ein neuer Lehrertisch aus vorhandenen Möbeln gebaut war, brachten wir es auf 18 laufende Computer in einem deutlich frischeren Computerraum. Investiert wurde lediglich in Schrauben, Nägel, Holz aus der angegliederten Schreinerei, Reinigungsmittel und natürlich jede Menge Arbeit mit zahlreichen Helfern.

Im nächsten Schritt wird es eine neue Stromversorgung sowie Internetanschluss für alle Rechner geben. Erste Schritte hierzu sind bereits eingeleitet. Zur Verbesserung der Lehre im Fach Information and Communication Technology (ICT) vereinbarten wir, dass ich zunächst als Gast in verschiedenen Lehrveranstaltungen in der letzten Reihe hospitiere und Prüfungen beaufsichtige. Wir einigten uns darauf, auf der Basis der derzeit verwendeten Lehrbücher zeitgemäßes Unterrichtsmaterial zu entwickeln. Dies ist dringend nötig. „New syllabus” steht auf den Buchdeckeln, darin behandelt wird jedoch z. B. Word 2003. Auf den Rechnern ist Word 2007 installiert. Da passt kein Screenshot, und genau hier setzen wir mit dem neuen Unterrichtsmaterial an. Für die weiteren Fächer gibt es ebenfalls Ideen, wie die Verständlichkeit der Examensanleitungen zu verbessern. Ich möchte hier behutsam vorgehen. Nicht jeder Lehrer nimmt Verbesserungsvorschläge für seine Materialien freudig entgegen. Vereinzelt sind Skepsis bzw. Zurückhaltung zu spüren. Einige Lehrer möchte ich zunächst persönlich etwas besser kennenlernen.
Bereits kennengelernt habe ich drei Don Bosco-Aspiranten, die zweimal die Woche einen anderthalbstündigen Computer-Einführungskurs erhalten.

Im Bereich Kommunikation hat die Schulleitung konkrete Vorstellungen: Eine Website soll erstellt werden. Darin sollen die beiden Schulzweige Secondary und Technical School sowie die Produktionsstätten und die Farm vorgestellt werden. Zwei Mitarbeiter werden in die Entwicklung der Site eingebunden. Sie werden Schritt für Schritt die Arbeit mit einem Content-Management-System erlernen und das wichtigste Handwerkzeug kennenlernen, um eine Website zu designen. So ausgerüstet werden sie in der Lage sein, die Website auch nach Projektende zu pflegen und zu erweitern. Inhaltlich wird die derzeitige Kommunikationsstrategie auf den Prüfstand gestellt und verfeinert. Wie schon erwähnt, ist Don Bosco Embu in den sozialen Medien mit einer Facebook-Seite vertreten. Diese wird angepasst, ggfs. kommen noch Twitter, Instagram und Co als Teil der noch zu definierenden Kommunikationsstrategie hinzu.

Sport, Freunde und Musik

Das Sportangebot der Schule für die Schüler ist vielfältig. Zur Verfügung stehen ein großes und viel genutztes Fußballfeld sowie jeweils zwei Basketball- und Volleyballfelder, ebenfalls immer gut besucht, auch wenn die folgenden Bilder einen leeren Platz zeigen. Sie sind in den Ferien entstanden.

Mit Badminton, Tischtennis und Darts werden sogar drei meiner favorisierten Sportarten angeboten. Da mische ich in meiner Freizeit einfach mit und lerne so nebenbei die Menschen kennen. Einige Freundschaften entwickeln sich hierdurch.

Es gibt einen Chor sowie ein Schülerorchester, bestehend aus Bläsern, Trommlern und Gitarristen, die auch an Wettbewerben teilnehmen. Gerade steht wieder ein solcher Wettbewerb an. Man hört sie täglich singen und musizieren. Ich selbst komme bislang noch nicht in dem Maße, wie ich mir das gewünscht habe dazu, Musik zu machen. Glücklicherweise hat Jutta mir eine Gitarre zur Verfügung gestellt. Die Voraussetzungen sind also da.

Fazit nach knapp drei Monaten

Man kann schon sagen, dass ich angekommen bin. Es gibt zahlreiche gute Ideen. In nahezu allen Punkten, die wir bislang besprochen haben, sind wir uns bzgl. der Vorgehensweisen und Prioritäten einig. Besprochene Dinge werden angepackt. Zügig und zuverlässig. Einziger Wermutstropfen ist das langsame Internet. Ein neuer Dienstleister ist beauftragt und auch bezahlt. Nur kommt er jetzt nicht, um die entsprechende Technik zu installieren. Zugesagt war, innerhalb von drei Tagen nach Auftragserteilung zu erscheinen. Das ist jetzt drei Wochen her. Willkommen in Kenia!

Das Wichtigste: Bei unseren gemeinsamen Aktivitäten erfahre ich hier in der Schule von allen Seiten wohltuende Wertschätzung und lerne jeden Tag dazu. Es ist nicht nur ein Geben.

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