Über die Personelle Entwicklungszusammenarbeit


Quelle: misereor.de

Was versteht man eigentlich unter Personeller Entwicklungszusammenarbeit? Was bedeutet dies für meine Tätigkeit in Embu? Darauf möchte ich in diesem Beitrag Antworten geben.

Der Marshallplan

Als eine der erfolgreichsten Formen von Entwicklungshilfe wird von den meisten Experten der von US-Präsident Harry S. Truman in Kraft gesetzte und vom Kongress der Vereinigten Staaten am 3. April 1948 verabschiedete Marshallplan angesehen.  Den an den Folgen des zweiten Weltkriegs leidenden westeuropäischen Völkern wurden seitens der USA innerhalb von vier Jahren gut 13 Milliarden US-Dollar (nach heutigen Maßstäben umgerechnet knapp 130 Milliarden Dollar) für den Wiederaufbau der Infrastruktur und die Entwicklung der Wirtschaft zur Verfügung gestellt.

Die Folge war das, was in Westeuropa als Nachkriegsboom, in Deutschland als Wirtschaftswunder bekannt wurde. Innerhalb einer Dekade schafften es die westeuropäischen Länder, sich weitgehend ökonomisch, politisch und gesellschaftlich zu erholen.

Das Scheitern einer Adaptation (am Beispiel Afrika)

Ermutigt durch die Erfolge des Marshallplans hat der Westen, Schätzungen zufolge, inzwischen Entwicklungsgelder von insgesamt 800 Milliarden Euro an Afrika geleistet; ein Mehrfaches dessen, was im Rahmen des Mashallplans investiert wurde. Der Erfolg indes, wie wir heute wissen, blieb aus.  Das Konzept Marshallplan ließ sich scheinbar nicht einfach auf die afrikanischen Staaten übertragen. Was läuft da anders?

Als eine Erklärung hierfür kann gelten, dass die westeuropäischen Staaten nach dem zweiten Weltkrieg wirtschaftlich zwar angeschlagen waren, sie verfügten jedoch bereits über das für den Wiederaufbau ihrer Staaten erforderliche Wissen, sie besaßen die entsprechenden “Blaupausen”. Demgegenüber sahen sich die heute als Entwicklungsländer bezeichneten afrikanischen Länder mit einer Kolonialherrschaft konfrontiert, die einer autonomen Entwicklung kaum Raum ließ und die noch bis in die Anfang 60-er Jahre andauern sollte. Hinzu kommen kulturelle Unterschiede, wie ein stärker ausgeprägtes kollektives Bewusstsein, als dies in den Ländern des “Nordens” verbreitet ist. Die Famile, der eigene Stamm, sie spielen bei Entscheidungen, auch auf politischer Ebene, eine bedeutendere Rolle, als dies zum Beispiel bei uns der Fall ist.

Nach Ansicht des Unternehmensberaters Asfa-Wossen Asserate sind von den bislang gezahlten 800 Milliarden Euro Entwicklungsgeldern geschätzte 600 Milliarden Euro nicht in Entwicklungsprojekte, sondern in das Privatvermögen Einzelner geflossen.

Der Kenianer James Shikwati bezeichnet die finanzielle Unterstützung Afrikas gar als kontraproduktiv und stellt die provokante These auf, dass „Development Aid“ die afrikanischen Staaten in ihrer Entwicklung behindere. Damit ist er längst nicht mehr allein.  Auch zahlreiche Vertreter, des “Nordens”, wie der Journalist Kurt Gerhardt, mischen sich in die Enwicklungshilfedebatte ein:

“Die ausgestreckte Hand ist das Symbol des Kontinents. … Der Maßstab für die Qualität unserer Entwicklungshilfe kann nur sein, inwieweit es ihr gelingt, afrikanische Eigendynamik zu wecken und zu stärken.”

Personelle Entwicklungszusammenarbeit als Konzept zur nachhaltigen Unterstützung von Entwicklungsländern

Vereinfacht lässt sich sagen, dass Enwicklungshilfe auf drei Ebenen stattfindet:

  1. Finanzielle Unterstützung
  2. Materielle Unterstützung
  3. Know-how-Transfer

Die Personelle Entwicklungszusammenarbeit adressiert die dritte Ebene, den Know-how-Transfer. Finanzielle sowie materielle Untersützung spielen in der Umsetzung eine nur marginale Rolle, wenn überhaupt. Im Vordergrund steht der persönliche und fachliche Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen, mit der Absicht, dass beide Kulturen voneinander lernen und profitieren, indem sie auf Augenhöhe miteinander kommunizieren und gemeinsam Konzepte entwickeln, die nachhaltig beiden Kulturen zugute kommen.  Mit dem Aufkommen dieses neuen Verständnisses von Entwicklungshilfe erlebte der Begriff selbst eine Reformation, konnotiert dieser doch mehr ein Einbahnstraßenverhältnis im Sinne von: A hilft B. Heute spricht man daher von Entwicklungszusammenarbeit, um den kooperativen Charakter des Miteinanders hervorzuheben, wohlwissend, dass das Zusammenfinden beider Kulturen in jedem Projekt seine Zeit braucht. Verständlich daher, dass Projekte in der Personellen Zusammenarbeit längerfristig, in der Regel auf drei Jahre, ausgelegt sind.

Was bedeutet dies für meine Arbeit in Embu?

Vorwegschicken möchte ich, dass ich, während ich diesen Beitrag schreibe, noch keinen produktiven Handschlag im Rahmen meiner Tätigkeit unternommen habe. Womöglich werde ich einige meiner Vorhaben korrigieren oder gar revidieren. Dennoch habe ich mir im Vorfeld Gedanken über meine Verhaltensweisen gegenüber den Menschen im Projekt und über meine Herangehensweise an die anstehenden Aufgaben gemacht.

Menschen und Kultur kennenlernen. Zunächst einmal unterscheidet sich die Situation nicht sonderlich von der, die man kennt, wenn man im eigenen kulturellen Kontext eine neue berufliche Herausforderung annimmt. Jedes Unternehmen bietet neue Kontakte zu Menschen und Dingen, Strukturen und Prozessen. Jedes Unternehmen pflegt mehr oder weniger seine eigene Kultur, die es zu erfahren gilt. Unternehmen erwarten heute, dass Bewerber sich im Vorfeld eines Erstgesprächs eingehend über Philosophie und Aktivitäten des Unternehmens informieren. Gleichwohl kann man noch so viel im Vorfeld über eine bestimmte Kultur gelernt haben. Was man vorfindet, ist individuell. Die Kultur, die ich in Kenia vorfinde, muss nicht der allgemein in Afrika herrschenden Kultur entsprechen. Die Kultur einer NGO muss nicht der kenianischen Kultur entsprechen. Wo sie es tut, gilt es, darauf Rücksicht zu nehmen, ohne freilich seine eigene Kultur zu verleugnen, denn dies wäre nicht im Sinne einer interkulturellen Zusammenarbeit, siehe vorangegangener Abschnitt.

Erwartungen und Missverständnisse klären. Der Stuff Request (Stellenausschreibung) ist ein Anhaltspunkt. Nicht selten kennen jedoch alle im Projekt involvierten Mitarbeiter dessen Inhalt. Und kennen sie ihn, müssen sie nicht unbedingt damit einverstanden sein. Es gilt daher, die eigene Rolle zu klären und zu finden – ein andauernder Prozess übrigens, da sich Ansichten, Wünsche und Prioritäten im Laufe eines Projekts verändern.
Im gegenseitigen Umgang kann es darüber hinaus, vor allem zu Beginn,  zu kulturell bedingten Missverständnissen kommen. Dies kann schon bei der Begrüßung, oder anderen zwischenmenschlichen Verhaltensweisen geschehen. Diese gilt es, behutsam zu klären – nicht zu früh, nicht zu spät, nicht an die zu große Glocke gehängt.
Die eigenen Erwartungen gilt es realistisch einzuordnen. Angesichts der oben beschriebenen Situation wird man in drei Jahren, die man in einem Projekt verbringt, nicht die Welt retten. Politischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Strukturwandel braucht seine Zeit, geht über Generationen.

Erfahren, was geht. Entwicklungsländer stehen nicht am Nullpunkt. In vielen Bereichen wurden Strukturen und Prozesse etabliert, die sich bewährt haben. Welche dies sind, gilt es zunächst herauszufinden, bevor man damit beginnt, dem Projekt seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Was deutsche Schüler begeistert und motiviert, welche Medien wie sinnvoll in der Lehre eingesetzt werden können, muss nicht unbedingt bei kenianischen Lehrern und Schülern funktionieren. Daher ist es ratsam, herauszufinden, welche bislang eingesetzten Konzepte sich bewährt haben und welche in der Vergangenheit gescheitert sind. Wege, um dies herauszufinden, sind Hospitationen sowie Gespräche mit administrativ Verantwortlichen, mit Lehrern und Schülern.

Planung, Durchführung, Evaluation. Mit dem Start einer Entwicklungszusammenarbeit betritt man immer Neuland. Insofern empfiehlt es sich, die Planung und Durchführung der einzelnen Projektphasen auf ihre Effizienz sowie auf ihr Potenzial, nachhaltig zu wirken, zu beobachten – quantitativ und qualitativ. Fehler und Irrwege begeht man nicht umsonst, werden sie dokumentiert und der Nachwelt erhalten. Maßnahmen, die zu Erfolgen führen, können als Best Practices kommuniziert werden und dienen gleichsam als Argumentationsgrundlage für Spenden- oder Fundraisingaktionen im gleichen oder in ähnlichen Kontexten.

Innere Mitte und Ausdauer.  Wer schon einmal einen längeren Auslandsaufenthalt durchlebt hat, wird einem Neuling sicher nicht sagen, dass alles nur ganz toll und bereichernd sein wird. In der heimatfernen Umgebung läuft es eben nicht immer so, wie man sich das vorstellt. Auf Schwierigkeiten und persönliche Krisen sollte man sich daher einstellen und für diesen Fall etwas parat haben. Etwas, das einem Kraft gibt und die innere Mitte finden lässt.

In meinem Fall sind dies die vielen für mich neuen Naturphänomene, eine glücklicherweise zur Verfügung gestellte Gitarre und ein mitgebrachtes Dartboard.

Na, dann kann ja nichts mehr schief gehen…

Quellen:
Wikipedia
FAZ
Spiegel Online

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *